Badische Zeitung
So entsteht eine Luxusuhr im Schwarzwald
Aus Efringen-Kirchen kommen handgefertigte Uhren, die an die Automarke Borgward erinnern. Dabei fiel Feinmechaniker Jürgen Betz das Geschenk nur durch Zufall zu.
Das Radio dudelt im Flüsterton, in der kleinen Werkstatt herrscht konzentrierte Ruhe. Die Mitarbeiter der Borgward Zeitmanufaktur in Efringen-Kirchen sind ganz bei der Sache, wenn sie mit Hilfe von Lupen winzige Werkstücke bearbeiten, aus denen am Ende eine wertvolle Uhr wird. Manja Otto kontrolliert die Werkplatten; sie trägt Latexfingerlinge für einen besseren Griff und um Verschmutzungen zu vermeiden. Lehrling Felix Bausch (19), die Lupe vor das Auge geklemmt, kümmert sich an diesem Tag um die Reparaturen.
Leidenschaft für kleinste Details, eine schier endlose Geduld, Genauigkeit wie ein Schweizer Uhrwerk, Konzentration wie ein Schachspieler und natürlich eine ruhige Hand sind notwendig, um dieses Handwerk auszuführen. Uhrmacher sind gefragt, die Nachfrage nach edlen Zeitmessern ist groß.
Das erkannte auch Jürgen Betz, Maschinenbauer und Feinmechaniker. Im Juli 2010, zu seinem 40. Geburtstag, machte er seinen Traum wahr. Er gründete die Borgward Zeitmanufaktur.
Für alle Jüngeren: Borgward, der Name stand einmal für einen der führenden Autohersteller in Deutschland. Der Kleinstwagen Lloyd LP 300, wegen seiner Kunstlederhaut Leukoplastbomber genannt, war mit geringen Herstellungskosten, billigen Ersatzteilen und geringem Verbrauch das ideale Gefährt für die Nachkriegszeit. Als es den Deutschen finanziell wieder besser geht, wird die Borgward Isabella zum Traumauto der Wirtschaftswunderjahre. 1961 war Schluss, Borgward – zur Gruppe gehörten auch die Marken Goliath und Lloyd – meldet Konkurs an. Ein Wirtschaftskrimi.
"Aus heutiger Sicht ist fraglich, ob Borgward tatsächlich zahlungsunfähig war", plaudert Jürgen Betz aus dem Nähkästchen. Fakt ist: Am Ende des Verfahrens werden nicht nur die Ansprüche aller Gläubiger befriedigt, es bleiben sogar 4,5 Millionen Mark übrig.
Beim Aufräumen fielen Betz durch Zufall Druckklischees in die Hände
Geschichten und Geschichte. Mythen für Oldtimerfans. Die kannte auch Jürgen Betz, der einen liebevoll restaurierten Borgward Goliath 1100, Baujahr 1959, sein Eigen nennt. Wie das Schicksal so will: Eines Tages fielen ihm an seinem damaligen Arbeitsplatz, die Zifferblattfabrik Schätzle in Weil am Rhein, beim Ausräumen in einem Stahlschrank alte Druckklischees für die Herstellung von Zifferblättern mit dem Namenszug Borgward in die Hände. Seine Neugierde war geweckt.
Des Rätsels Lösung: Wer als Borgwardfahrer nachweisen konnte, dass er mehr als 100.000 Kilometer unfallfrei gefahren war, bekam als Geschenk eine Uhr, eine Plakette und eine Urkunde. Die Zifferblätter für diese Uhren, und damit schließt sich der Kreis, wurden bei der Firma Schätzle hergestellt.
Warum eine Uhrenmarke neu erfinden, wenn an eine erfolgreiche Geschichte angeknüpft werden kann, dachte sich Jürgen Betz. Und so kam es, dass ein kleines Unternehmen im südlichsten Zipfel Deutschlands einen großen Namen, der in Bremen seine Heimat hatte, wiederbelebte. Ironie des Schicksals: Mittlerweile ist auch die Automarke Borgward wieder auf dem Markt. Vom kommenden Jahr an sollen in Bremen Elektroautos montiert werden. Hauptaktionär und alleiniger Investor ist der chinesische Lastwagenbauer Foton. Chance oder Risiko für die Edeluhren aus Efringen-Kirchen? Jürgen Betz kann sich noch nicht so richtig entscheiden. Die Namensrechte für die Warengruppe "Uhren, Schmuck und Brillen" hat er sich für Deutschland, Europa, die USA und China auf jeden Fall gesichert.
Weltweit gibt es circa 20 Uhrenhersteller, die Werke selbst fertigen
Zurück in die Werkstatt, in den ehemaligen Schweinestall der alten Wagnerei, wo handgefertigte Automatikuhren und Chronographen entstehen. Die in die Borgward-Uhren eingesetzten Werke kommen aus der Schweiz. Das ist nicht ungewöhnlich: Weltweit gibt es wohl keine 20 Uhrenhersteller, die ihre Werke noch selbst fertigen. Betz nimmt die Uhrwerke komplett auseinander. Jedes noch so winzige Teil wird mit feinsten Schliffen poliert und aufwendigen Perlierungen, das sind kleine, dicht beieinanderliegende Kreise, zum Funkeln gebracht.
"Das ist wie bei Dessous. Eigentlich sieht es niemand, aber der Aufwand wird geschätzt." Solche Zierschliffe machen das Innenleben noch hochwertiger, die Zeitzeiger werden zu Schmuckstücken. "Noch habe ich eine ruhige Hand", sagt Betz.
Mehr Informationen unter: https://www.badische-zeitung.de/borgward-uhren-aus-efringen-kirchen--142601881.html
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